UX – Unter glücklichen Umständen

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Dieser Text ist Teil der „UX Konfettikanone“, eine Artikelserie rund um die Rolle von UX, Design, unsere Beobachtungen innerhalb der digitalen Arbeitswelt und die unterschiedlichen Erwartungen an die „Magie“ von User Experience Design.


Mystisches UX

Das System “Projekt”

Bei der Gestaltung von digitalen Produkten verfolgen alle “Projektbeteiligten” ein Ziel: Das beste Erleben für die Nutzer|innen schaffen. Dieses Versprechen ist bei näherer Betrachtung eingebettet in folgende Struktur:

  • Der Erfolg eines “Projektes” unterliegt den Parametern ”Qualität, Zeit und Geld”, welche einander bedingen.
  • Die “Beteiligten” sind ein Konstrukt aus Auftraggeber|innen und diversen Kompetenzbereichen: Kundenberatung, Projektmanagement, User Experience Design, Visual Design, Programmierung uvm.
In einem Projekt gibt es verschieden Parteien und diverse Parameter. ©Christina Humpf

Für einzelne Projektbeteiligte wiegt im Alltag einer der drei Parameter besonders stark und wird darum bevorzugt angegangen. Die verschiedenen Eigeninteressen führen oft dazu, dass das übergeordnete Ziel aus den Augen verloren wird und letztendlich nicht (mehr) erfüllt werden kann.

Das große Ziel “Nutzererlebnis” verkommt so lediglich zu einer Randnotiz.


Rollenverständnisse & Aufgaben

Für UX-Designer|innen bewegen sich die Briefings zwischen “Kannste mal n bisschen UX”, “Wir brauchen ´ne schnelle Review”, “Mach mal ein Konzept” oder “gestalte aus dem Nichts ´nen Wireframe”. Denn während bei Projektmanagement, Visual Design oder Development, das Arbeitsergebnis praktischerweise in der Berufsbezeichnung mitklingt, ist dies bei User Experience Design nicht direkt der Fall.

Was früher “Konzeption” war, wurde fragmentiert in “Nutzer”, “Erlebnis” und “Design”. Doch nichts davon ist schon ein fertig-brauchbares Arbeitsergebnis:

  • “Nutzer”gruppen und -interessen möchten recherchiert, untersucht und erfragt werden
  • Erlebnisse” werden konzipiert und sollten mehrfach getestet sein
  • “Design” meint nicht visuelle, sondern bedienbare Gestaltung oder sogar Leitmotiv

Manche Anforderungen münden selbstverständlich auch bei User Experience Designer|innen in handfesten Arbeitsergebnissen: Interview-Leitfäden, User Interviews, Usability Testings, Testberichte, Wireframes uvm. Und im Hinblick auf das Nutzerbedürfnis begleiten UXler immer den gesamten Projektverlauf beratend (und zwar ab Angebotsphase).

Dass es aber nur ein “bisschen UX-Handwerk” braucht und schon wird das spätere Resultat ein valide-nutzerorientiertes und erfolgreiches Produkt, ist schlichtweg ungenügend.

Denn User Experience Design meint nicht nur das Handwerk, sondern vielmehr Methodik, Haltung und Teilhabe.


Die Konsequenzen

Wo die Knowhow-Breite und Beratung von UXlern notwendig gewesen wäre, um nutzer-zentriert ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln, verkommt User Experience zu einer Rolle und somit zu einem Projektabschnitt. Im Hinblick auf die Parameter für ein erfolgreiches Projekt bedeutet dies folgendes:

  • Zeit: Da im Projektverlauf praktisch blind (ohne User Insights) geplant und gehandelt wurde, ist das Erreichen eines Meilensteins oder Projektabschlusses gefährdet. Oft ist sogar unbekannt, was und wieviel bis zum Finale noch bearbeitet werden muss.
  • Qualität: Aus unklaren Erwartungshaltungen an die Arbeitsergebnisse der Projektbeteiligten, hat sich ein nicht-messbares Ziel (Produkt) entwickelt. Ob die Nutzer|innen dieses schlussendlich annehmen, für glaubwürdig befinden oder schlicht bedienen können, bleibt bis zuletzt fraglich.
  • Geld: Wurde das Projektziel nicht erreicht, muss meist nachgearbeitet werden; das kostet. Manchmal ist eine weitere Projektverlängerung oder nachträgliche Qualitätssicherung sogar fraglich oder gar unmöglich.
    Ka-ching!
  • UX-Designer|innen, deren Beitrag von Beginn an limitiert wurde, können unter Umständen nicht ganzheitlich user-zentriert konzipieren und beraten (wobei genau daran ihre Reputation gemessen wird).
  • Geld, Teil 2: Manchmal wurde auch das Verhältnis der Projektbeteiligten und -parteien untereinander so nachhaltig gestört, sodass eine weitere Zusammenarbeit zumeist unwahrscheinlich wird. Folgeprojekte werden nicht beauftragt.

Betrachtet man nochmal das Ziel aller (das beste Erleben für die Nutzer|innen zu erschaffen), gelten zufriedene Nutzer|innen als Barometer, an welchem sich Erfolg oder Misserfolg messen lassen. Im schlimmsten Fall ist das Produkt nicht für die Zielgruppe gemacht und somit gilt die Arbeit aller Beteiligten daran leider als gescheitert.

Bei dem Eintritt erster Konsequenzen helfen dann auch keine Krokodilstränen mehr. Die Probleme sind schließlich hausgemacht. ©giphy.com

Eine andere Sichtweise

Wird also eine|n UX-Designer|in nur kurz oder spät auf ein Projekt geholt, vermeintlich in der Hoffnung, man könne dann “UX”, “Nutzerbedürfnis”, “Bedienbarkeit” & Co., abhaken, so sollte man sich ganz genau umsehen: Läuft die Uhr rückwärts? Oder hat man unendliche Ressourcen? Wenn nicht, dann ist es Zeit, den Glauben an die “Magie von User Experience Design” zu begraben. Denn ohne zusätzliches Budget oder mehr Zeit, können auch wir leider nicht zaubern. UXler können die Welt ein bisschen besser und auf jeden Fall für alle Projektbeteiligten einfacher machen… Jedoch nicht ohne die User|innen. Eine “UX-Konfettikanone” über einem Produkt zünden — und somit eine valide Nutzerzentrierung erreichen — das können wir nicht.

Wir glauben, User Experience Design ist ein unverzichtbarer, integraler Bestandteil der digitalen Produktentwicklung. Immer dann, wenn mit dem Produkt Menschen interagieren sollen, bedarf es der Expertise eines|r UX-Designer|in im gesamten Projektverlauf.

Damit alle Projektbeteiligten ihre Ziele und eigenen Aufgabenstellungen kennen und bearbeiten können, finden wir UXler die entscheidenden Faktoren heraus: “Für wen? Warum?”. Wir halten diese Parameter auch im weiteren Projektverlauf aufrecht. Die Arbeitsergebnisse aller Projektbeteiligten können wir außerdem iterativ an verbindlichen Zielen testen und validieren (ein potenziell ressourcenschonender Prozess). So lässt sich im Projektverlauf für alle etwas lernen, verbessern und gemeinsam ein messbarer Erfolg erzielen. Woohoo!


Und weiter …

“Gestalten heißt in Fesseln tanzen” — selten war das Zitat des Architekten und Bauhaus-Gründers Walter Gropius zutreffender als bei digitaler Produktentwicklung. Und potenziell zeichnet eine gewisse Bipolarität die Aufgabenstellungen an unseren Berufsstand (UX) ja auch aus… Wir lieben knifflige Aufgaben und einen Rahmen. Was soll also diese Unzufriedenheit?

Es liegt schon in unserer Berufsbezeichnung, für Nutzer|innen zu gestalten (aber nicht ohne sie befragen). Es liegt in unserer Profession, alle Projektbeteiligten an diesem Prozess teilhaben zu lassen. Und es liegt an uns allen, diesen Diskurs zu fördern. Für ein gemeinsames Ziel. Dafür würden wir UXler gerne den Mythos “User Experience Design” bereinigen.

Da uns an Destruktion nichts liegt, werden wir zum Thema weiter schreiben, diskutieren und beraten. Konkret geht`s demnächst um die Veränderung von Aufgabenstellungen an UXler, Organisationen und Firmenkulturen. Wir werden über die Profile und Level von UX-Designer|innen und ähnlichen Berufsbezeichnungen diskutieren. Und wir werden über Projektabläufe und -phasen beraten. Stay tuned.

Wir freuen uns auf eure Meinung, eure Erfahrungen und danken euch für eure Zeit. Alles Gute und bleibt gesund.


Disclaimer: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Ereignissen sind zufällig. Dieser Text spiegelt die Meinung der Autorin und des Co-Autors wider. Der Artikel reflektiert nicht zwingend die Meinung ihrer Arbeitgeber.

Image Source (Header): Photo by Alain Pham on Unsplash