Was kostet die Welt? Der Start als Design-Junior. ODER: Die Fabel von Mut und dem kalten Sprung ins Wasser.

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Heute beschreibe ich meine ganz persönlichen Erfahrungen und Learnings darüber Neu zu sein: Sich als Junior oder nach dem Studium zu orientieren, in eine Branche einzusteigen, als Designer|in durch das Wirrwarr an Möglichkeiten zu blicken und sich zu bewerben.


Nach Praktika, Erasmus-Semester und Studium war ich, wie die meisten jungen Menschen, immer noch neu und unerfahren in der Arbeitswelt. Ich, zum Beispiel, wusste nur eines: Ich wollte nach dem Studienabschluss 2011/12 weg. Ich wollte mitten in den Bergen leben und auf eigenen Beinen stehen. Und das – gemäß meines Studiums – als Gestalterin. Doch wie damit starten?


Wer, wie, was

Unzählige, aber unbekannte Möglichkeiten, warteten nach einem (Studien-) Abschluss. Wie orientiert man sich am besten? Photo by Evan Dennis on Unsplash

Ich hatte bis zum Studienabschluss nur einen kleinen, ungefähren Einblick in die unzähligen Möglichkeiten der “Gestaltung von Kommunikation” und “Arbeitswelt von Kreativen” erhascht. Zum Beispiel wusste ich vor neun Jahren noch wenig über die verschiedenen Agenturmodelle, um deren Leistungsangebote und -unterschiede; und auch nicht um Karrierelevel und Jobtitel. Ich kannte überhaupt nur eine Handvoll der unzähligen Creative-Titel und hatte eine ungenaue Vorstellung der einzelnen Aufgabengebiete: Es gab Grafikdesigner|innen, Multimedia Designer|innen, Mediendesigner|innen, Art Direktor|innen, Texter|innen und Creative Directors… Als beruflicher Neuling fiel es schwer, die Verschiedenheiten in den ausgeschriebenen Tätigkeiten zu verstehen, die eigenen Stärken schon zu kennen und Stellenausschreibungen allgemein oder dahingehend zu dekodieren.

Wenig hilfreich war damals schon, dass gerade die Berufsbezeichnungen der Kreativen uneindeutig und beschriebene Tätigkeiten in Stellenausschreibungen oft vage oder generisch sind.

Privat konnte mir dabei niemand helfen, denn wie auch schon mit dem Studium, war ich, in meiner zukünftigen Branche, die Erste. Kurzum: Ich kannte die Tätigkeiten der visuellen Gestaltung aus zwei Praktika und dem Studium. Dort hatte alles Spaß gemacht. Also dachte ich mir: “Was soll`s… ich probiere das Ganze einfach mal…” oder “Ich bin ja noch jung und schau mal was mir gefällt…” Gesagt getan.


Der Umzug

Also bewarb ich mich vor fast neun Jahren in allen “größeren” Alpen-Städten und erhielt die Chance als Junior Art Direktorin in der Tiroler Landeshauptstadt anzufangen. Ich nahm mein bisschen Erspartes der Sommerjobs und zog damals kurzerhand ins Nachbarland. Mit großen Hoffnungen im Gepäck: Arbeiten für den Lebensunterhalt, sich in die Arbeitswelt und dessen Strukturen einfinden, sich als Kreative entwickeln und leben in einer anderen Stadt mit anderer Kultur. Erwachsen sein eben. Alles neu und aufregend.

Mir blieb nur ein kalter Sprung ins Wasser. Und doch wünschte ich, dass es damals einen Text wie diesen schon gegeben hätte. Denn aus der spontanen Idee, eine Zeit lang in den Bergen zu leben und zu arbeiten, wurden schlussendlich sechs, teils harte Jahre, Entbehrungen im Privaten und einige berufliche Stationen meines beruflichen Erwachsenwerdens.


Tipps und Learnings: “Einstieg in die Arbeitswelt”

Folgendes rate ich “meinen” Mentees, Praktikant|innen und damit Berufsunerfahrenen zu dem ersten Wirrwarr an Jobtiteln, möglichen Tätigkeiten, Gehältern oder beim Durchblick der unterschiedlichen Arbeitsstätten (Agenturen, Beratungen, Inhouse-Abteilungen, Corporates etc.):

  • Idealerweise hat man bei Berufsstart in zwei bis drei bezahlten (!) Praktika/Trainees und dank verschiedener Tätigkeiten in ganz unterschiedlichen Firmen oder zumindest Abteilungen, herausgefunden, welche Umgebung, Kultur und Arbeit einem Selbst grob zusagt oder nicht. Hört dabei am Besten auf euer Bauchgefühl.
  • Tauscht euch aus: Teilt offen eure Praktika- und Sommerjob-Erfahrungen als Studierende untereinander und auch unbedingt mit Studierenden außerhalb der etablierten Design-Elite. Denn nicht alle haben das Privileg, sich unbezahlte Praktika in den Semesterferien und in teuren Hauptstädten zu erlauben bzw. haben das entsprechende Vitamin B (noch) nicht.
  • Am Allerbesten sucht und bleibt man in Kontakt zu vielen anderen Kreativen. Und baut sich so früh wie möglich ein diverses Netzwerk auf und pflegt dieses regelmäßig. Vernetzt euch sorgfältig mit den Leuten aus den Praktika, Sommerjobs und dem Studium (mit Studierenden und Lehrenden; Und das auch nachträglich!). Nutzt dazu auch Uni-, Alumni- und soziale Berufs-Netzwerke z.B. LinkedIn.
  • Und natürlich Basic: Recherchiert eure möglichen Arbeitsstätten. Lest dabei aufmerksam deren Website quer. Die Bereiche News, Kultur und Purpose (eine Art Selbstverständnis bezüglich der eigenen Aufgabenstellungen) empfehle ich eingehender zu studieren. Gibt es von der Eigendarstellung abgesehen noch andere Medien? – Gut, dann schaut in den bevorzugten Newsportalen nach und lest auch ein wenig bei Glassdoor und Kununu, wie andere Leute die jeweiligen Arbeitsstätten bewerten.
  • Wenn ihr euch für eine bestimmte Tätigkeit oder Firma interessiert, dann recherchiert, ob ihr jemanden in eurem (erweiterten) Umfeld kennt, der dem Ganzen nahe kommt. Falls nicht, lasst es auf einen Versuch ankommen, sammelt eure Fragen und schreibt random Jemanden an, der|die das dort macht oder gemacht hat, worüber ihr gerne mehr erfahren wollt.
  • Dazu kommt voraussichtlich noch ein detaillierter Artikel, aber kurz etwas zum Lebenslauf und Portfolio: Beides muss beim beruflichen Start nicht opulent sein. Sendet erst den CV. Auf Nachfrage oder nach einem ersten (Telefon-) Gespräch: Das Portfolio. Packt in das Portfolio Arbeiten, auf die ihr stolz seid und Dinge, die ihr in Zukunft gerne wieder erarbeiten möchtet. Zwei bis drei Projekte reichen. Und beschreibt bei Team-Projekten unbedingt euren individuellen Arbeitsanteil und -prozess.

Einfach mal machen?

Alles neu, undurchsichtig und unbekannt. Ein paar Sachen, habe ich im Verlauf meiner 6 Jahre in Innsbruck dann auf die harte Tour lernen müssen. Photo by Peter Mostbryg on Unsplash

Noch etwas: Man kann Tätigkeiten, Jobtitel und Arbeitsstätten bei den ersten paar Anstellungen auch einfach ausprobieren. So habe ich das ja gemacht. Doch Achtung: Dabei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man erstmal kaum oder keinen Karriere- bzw. Gehaltssprung machen kann. Wahrscheinlich fasse ich das Ganze mal in einem anderen Artikel zusammen, aber es empfiehlt sich, regelmäßig über die Aufgaben und das Arbeitssetting zu reflektieren, um sich gegebenenfalls nach 6-12 Monaten etwas Neues zu suchen. Zwar hatte ich wirtschaftlich nicht immer die Freiheit, den eigenen Zielen asap zu folgen, doch ich habe von mal zu mal mehr verstanden, worin ich gut bin, was mir wichtig ist, welche Kompromisse ich bereit bin einzugehen und was mir Spaß macht. Und zog dann – sobald möglich – die Konsequenzen.

Heute, deutlich später, gereicht mir unter anderem eine breite Arbeitserfahrung bei der Leitung interdisziplinärer Teams zum Vorteil. Nachträglich profitiere ich also vom “Ausprobieren” und gebe meine Erfahrung weiter.

Da ich zu Beginn meiner Karriere einige Stationen und damit einhergehend oft Frischling war und heutzutage selbst Jobausschreibungen verfasse, Unterlagen von Bewerber|innen prüfe und Bewerbungsgespräche führe, wurde ich immer öfter um Feedback gebeten. So unterstütze ich heutzutage u.a. auf Meetups, mit Talks oder auf Barcamps juniorige Kreative mit Mappenberatungen, den Lebensläufen und beim Portfolio. Ich bin offen für Mentoring.

In Teil 2 „Die Idylle der Berge? Alles auf Anfang.“ geht es um meinen Erfahrungsprozess in eine neue Stadt zu ziehen, um dann festzustellen, dass Innsbrucker|innen ein potenziell verschlossenes Völkchen sind und man Neues nicht unbedingt willkommen heißt. Hier entlang!


Image Source (Header): Photo by Rafaela Biazi on Unsplash